1 Stunde und 90 Minuten......


soviel Zeit verbleibt mir noch, um meine Sachen zu regeln und zu packen.........
so sprach mein Arzt, in dessen Praxis ich saß.
Ich legte mich auf die Liege drauf und er ging telefonieren...........
Also, in einer Stunde, ab jetzt, steht ein Taxi vor deiner Tür und du fährst nach München ins Schwabinger Krankenhaus und Professor Soundso wartet dort auf Dich.
Es ist alles geklärt und abgesprochen - los jetzt - Sachen packen - den Kühlschrank nicht vergessen - und ab ins Krankenhaus, der Professor, ein Freund und Studienkollege wartet nicht gerne.
Wie im Traum fuhr ich nach Hause und das Telefon riß mich aus meiner "Narkose"....es war die Stimme meines Arztes - und? alles eingepackt? Ist der Kühlschrank leer?
Nun mach mal flott - jeden Moment kann das Taxi kommen.
Unwirklich schwebte ich zum Schrank, nahm das Köfferchen und ein paar Sachen....packte ein was ich gebrauchen könnte und war fernab von realen Gedanken.
Es hupte und klingelte an der Tür, ach ja, da war noch was, ich sollte mal aufmachen und vor mir stand eine Taxi-Fahrerin.
Sie kam unaufgefordert rein und nahm mich an die Hand. Wo ist der Koffer - ist der Kühlschrank ausgeräumt?
Alles Fragen, die mich überhaupt nicht tangierten - sie machte einfach und ich ließ es wie in Trance mit mir geschehen.
Meine Söhne anrufen! Ja, gib mir die Telefonnummern, ich erledige das.
Und in Windeseile fuhren wir in Richtung München ab.
Die 90 Minuten waren angebrochen und sie war instruiert - hier durfte keine Zeitfrage entstehen.
Sie stellte das Taxi ab, zog mich heraus und ging mit mir in diesen gräßlichen Bau.
An der Tür des Professors klopfte sie an und schob mich samt Gepäck dort rein.
Ein "Weißkittel" kam auf mich zu, streckte seine Hand nach mir aus und ich fiel zusammen.
Auf einer Liege wachte ich wieder auf und wurde mit einem "Guten Morgen" herzlich begrüßt.
Eine nette Ärztin steuerte auf mich zu und erklärte mir, daß sie mich untersuchen müßte und ich sollte meinen Mund aufmachen, damit sie meine Mandeln anschauen könnte.
Nach kurzer Erinnerung und Erkenntnis der Lage, kam Leben in mir zurück.
Ich blaffte los, welche Mandeln, die habe ich seit 20 Jahren schon nicht mehr. -
Jaja, das weiß ich - doch die Mandelnarbe scheint ein Problem zu sein.
- und nun? -
-wir nehmen Gewebe ab und bis morgen haben wir ein Ergebnis. Sie gehen jetzt mit einer Schwester auf die Station und morgen sehen wir weiter. -
So geschah es dann. Ein 6-Bett-Zimmer mit Blick in den Garten - ganz wunderbar, im 2-ten Stock.
Komfortabel mit einem Waschbecken ausgerüstet und einem Tisch mit drei Stühlen......
Innerlich erzählte ich mir, daß ich nur träume ...bis die Schwester kam und mir irgendwelche Medikamente zum Schlucken gab.
Zum Schlafen und zum Weißnichtsmehr, ich schluckte sie nicht. Ich war so erschöpft, daß ich morgens geweckt werden mußte und mühsam zum Waschbecken kroch, als es gerade mal frei war.
Und dann ging alles blitzschnell - ich kam auf den Rollwagen drauf, noch schnell eine Spritze in den Arm und bevor ich überhaupt wußte wo ich war, lag ich schon wieder in dem häßlichen Zimmer mit dem einzigen Waschbecken drin.
Mein ganzer Kopf war eingebunden und der Hals bis zur Brust.
Ich habe Durst, versuchte ich zu sagen, doch keine Stimme kam aus mir raus.
So langsam ging die Narkose weg und ich stellte fest, daß die Uhr ständig auf 14.30 Uhr stand oder 2 Uhr 30.
Mein Bett war komisch, ich saß mehr als ich lag - um mich herum hingen lauter Vorhänge und ich hörte es ständig piepsen und eine Klingel war auch nicht zu greifen.
Ich versuchte mich bemerkbar zu machen und strampelte mit den Beinen rum - die Piepser wurden aktiver, doch niemand kam.
Nach Stunden, die ich wohl verschlafen habe, kam dann endlich eine Schwester, der ich versuchte zu erklären, daß ich Wasser bräuchte.
Sie können jetzt nicht schlucken, das geht nicht - ich deutete ihr an, daß es mit einem nassen Waschlappen auch genüge. Mit viel Gestik und kargen Lauten verstand sie endlich und erlöste meine trockenen Lippen und die Zunge von meiner Qual.
Dann war ich endlich wach und wurde nun wirklich auf das häßliche Zimmer zurückgebracht.
Der Rausch war ausgeschlafen und ich ging auf Tournee.
Wo ist hier was? Eine lebensnotwendige Frage in einem alten Trakt von Krankenhaus.
Aha, da gab es doch tatsächlich Duschen- für Privatpatienten auf dem gleichen Flur !!!
Welch ein Luxus - das muß ich doch mal näher erkunden.
Ohja, ist jemand drin? Alles leer.
Und somit marschierte ich jeden Tag mit größter Selbstverständlichkeit in diese Duschen rein und duschte, was ich duschen konnte.
Mein Kampfgeist war zurück und ich, die kaum was schlucken könnte, bekam jeden Tag die gleiche Maggie-Suppe, bis mir der Geduldsfaden riß.
In dem Aufnahmeprotokoll hatte ich angegeben, daß ich an Milcheiweißallergie leide und somit war ich abgestempelt und eine von diesen Schwestern brachte mir täglich Grießbreichen und Joghurt in Mengen. Oder diese Fondor-Süppchen.
Ich stürmte zur Oberschwester ins Büro, dieses "Kälbchen" war auch zugegen und ich schmiß meine Tagesration vor deren Füße hin, krächzte Zeter und Mordio und verlangte nach dem Professor.
Das waren dann meine letzten Tage in dem Krankenhaus - ich habe mich selbst entlassen und begab mich hier in ärztliche Weiterbehandlung.
Und weiterhin schlürfte ich meine Süppchen in verschiedenen Variationen - ich habe zwar 10 kg abgenommen nach einem 3/4 Jahr, doch ich habe es überstanden.
Nach fast 10 Jahren ist es mir nicht gelungen auch wieder zuzunehmen, obwohl ich alles essen kann.
Aber ein glückliches Finchen mit geringen Gewicht bleibt der Welt erhalten.
Wenn das keine Freude ist!!!

Mit lieben Grüßen
Euer Moni-Finchen


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Kommentare (3)

finchen diese Geschichte gehört eigentlich in die Schachtel der Erinnerung. Der Tonsillen-Tumor ist nicht mehr aufgetreten, die Bestrahlungen haben den Rest geschafft.
Genauso wie die Haarpracht. Und wie Phönix aus der Asche, so eroberte ich mir meine Welt zurück.
Und so soll es noch über einige viele Jahre bleiben.
Der Geist ist noch sehr willig und die angebotenen 10 Kilo nehme ich gerne an. Nur, wie machen wir das ?
Herzlichen Dank für das Angebot
und 'nen lieben Gruß
Dein Moni-Finchen
Traute Was macht man denn noch mit Dir Du kleines bisschen Menschlein.
Hoffentlich war diese Erfahrung einmalig und kommt in keiner Form mehr über Dich.
Zehn Kilo könnteste ja von mir kriegen, wenn es mit dem Transfer nicht so kompliziert wär.
Bleib von nun an bloß gesund, Du siehst ja was dabei raus kommt, sie schneiden dort weg wo sie schon nichts haben stehenlassen und den Rest lassen sie Dich langsam abhungern.
Ganz viel Gesundheit ab jetzt und weiter Humor und Kampfkraft,
wünscht Dir Traute
anjeli ich habe jetzt mit dir mitgelitten.

Ich habe sowas Ähnliches erlebt. Bekam auch 10 Tage nur diese Wassersuppen und drei Bananen (zerkleinert) täglich.

Als ich dann wieder normal (Toast) essen durfte, freute ich mich auf ein richtiges Mittagessen.
Pustekuchen, ich wurde 5 Minuten vor dem Essen zu einer kleinen ZahnOP abgeholt.
Mein Hunger war so stark und ich bin dann zwei Stunden nach der OP zur Schwester gegangen, damit ich etwas zu essen bekam.
Die Schwester kam auch mit essen, aber wieder nur Wassersuppe.
Da hatte ich den Kaffee so auf und bin umgehend in die Cafeteria gegangen und habe mir dann ein Würstchen mit Kartoffelsalat bestellt.
Meine Mama hat mir dann auch noch für abends leckere Brötchen mitgebracht.

Ich bin dann am nächsten Tag entlassen worden.

anjeli

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