Reue
02. November 2025

Guten Tag in die Runde,

grau ist es draußen, ungemütlich. Der Herbst hat uns im Griff. Eine gute Zeit, über Schwieriges nachzudenken. Zum Beispiel über Reue.

Gehört Ihr zu den Menschen, die unter früheren Fehlern leiden?

Oder eher zu denen die sagen:

"Schnee von gestern. Nicht mehr zu ändern. Keinen Gedanken daran verschwenden."

Als in der Wolle gefärbter Pragmatiker (eine Berufskrankheit bei Ingenieuren) frage ich mich:

"Ist Reue nützlich oder schadet sie uns am Ende mehr als sie uns nützt?"

Wenn man bereut, viele Stunden seines Lebens vergeudet zu haben, bringt das diese Stunden zurück?

Wenn man bereut, etwas getan zu habe, das jemand anderen verletzt hat, macht Reue das ungeschehen?

Wenn man bereut, eine Gelegenheit nicht genutzt zu haben, die das Leben hätte verändern können, hilft uns das weiter?

Ich komme zu dem Schluss: Reue ist nutzlos.

Aber es gibt auch andere Stimmen, die sagen: "Reue kann nützlich sein."

Es wäre unfair, sie nicht zu Wort kommen zu lassen.

Die drei wesentlichsten Argumente dieser Menschen lauten, verkürzt gesagt:

Reue kann uns lehren, es künftig besser zu machen.
Reue kann uns dazu bewegen, etwas wiedergutzumachen.
Reue kann uns helfen, innerlich mit begangenen Fehlern abzuschließen.

Das überzeugt mich nicht. Aus verschieden Gründen, über die wir uns vielleicht bei Gelegenheit austauschen könnten.

Ich freue mich darauf.

Herzliche Grüße

Kurt

Kommentare (20)

keyly


In der Diskussion um die Sinnhaftigkeit von Reue, die, wie ich las, meist als nutzlos und daher unangebracht bezeichnet wurde, bin ich ein Außenseiter. 

Der Mensch kann viele Gefühle empfinden, die sämtlich sicher ihren Sinn haben. Die unangenehmen geistig zu streichen, ergibt meiner Ansicht nach eine veränderte Wahrnehmung der eigenen Person. Man katapultiert sich damit in eine Art Dauerhoch, weil man sozusagen fast fehlerlos durch sein Leben eilt. 

Reue gehört meiner Ansicht nach zur Entwicklung des Menschen, nur so sind Einsicht und in der Folge ein besseres Verhalten möglich. Auch wachsen Mitgefühl und Verständnis für andere, es geht doch schließlich nicht nur um die eigene Person.
Vor einiger Zeit las ich einen sehr guten Spruch "Willst du Freunde, dann sei einer".
Dazu gehört zweifellos ein guter Umgang mit Fehlern. 

Eine Art Inventur im gelegentlich "unaufgeräumten Innersten" halte ich für sinnvoll. Was noch zu kitten ist und auch gelingt, macht sicher mehr Freude als die Verdrängung.

Liebe Grüße  Lydia



  

Kurt20

@keyly  

04. November 2025
 
Guten Morgen Lydia,

morgens schaue ich immer erst kurz bei senioretreff.de vorbei, hier bin ich.

Es ist ein Segen, dass man sich hier ganz entspannt mit anderen über Gedanken, Erfahrungen und „Alltagsphilosophien“ austauschen kann. Noch dazu mit „Gleichgesinnten“, die über ähnliche Lebenserfahrungen verfügen wie man selbst. Das musste mal gesagt werden.

Zu Deinem obigen Beitrag habe ich, wie Du Dir vielleicht denken kannst, ein paar Einwände.

Du schreibst: „Der Mensch kann viele Gefühle empfinden, die sämtlich sicher ihren Sinn haben.“

Jetzt einmal ketzerisch gefragt: „Welchen Sinn?“ Ich gehe davon aus, dass Du meinst, sie seien nützlich für ein gutes Leben (oder für die Persönlichkeitsentwicklung, was immer das sein mag).

Nein! Es gibt Gefühle, die sind für manche Menschen überflüssig oder sogar schädlich.

Nicht alles, was uns die Evolution (oder wahlweise der Schöpfer) beschert hat, ist gut und nützlich (man denke nur an den Blinddarm 😉).

Reue gehört für mich zu den nutzlosen bis schädlichen Gefühlen, weil sie mich davon abhalten kann (wenn ich das zulasse), mein Leben zu leben.

Reue ist (wohlgemerkt: für mich) ein elendes, völlig nutzloses Gefühl, das meine Gesundheit schädigt, mein Wohlbefinden beeinträchtigt und mich, wenn ich nicht aufpasse, für Tage richtiggehend lahmlegen kann. Und all das ohne Gegenleistung!

Du siehst das anders. Gut so, sonst hätten wir doch ein Thema weniger, über dass sich „trefflich streiten“ lässt 😉.

Ich wünsche Dir einen wunderschönen Tag,

herzlichst
Kurt

keyly

@Kurt20

Guten Abend Kurt!

Es gibt meines Wissens keine Maschine, die so viel kann und ständig weiterlernt - noch dazu jahrzehntelang - wie der Mensch. Auch, dass sich der Körper in vielen Belangen selbst reparieren kann, erscheint mir bisher unübertroffen.
Daher schiebe ich einmal deinen Blinddarm beiseite.

Mein Augenmerk gilt dem vorletzten Absatz deiner Eingabe, in dem du dich massiv gegen Reue stellst. Ist dir eigentlich schon aufgefallen, dass der ganze Absatz ausschließlich mit dir und deinem Wohlbefinden zu tun hat. 

Auch dir wird es nicht gelungen sein, alle Menschen deiner Umgebung gerecht bzw. fehlerlos behandelt zu haben. Menschen, die Reue ablehnen, lehnen zwangsläufig auch Entschuldigungen ab, d.h. überspitzt: ob der andere sich kränkt oder nicht, interessiert mich nicht, weil das könnte mein Wohlbefinden stören. Bist du das wirklich?

Wie sähe deine Kindererziehung aus, wenn Reue kein Thema ist. Wenn "Gut und Böse" gleichwertig sind, wird das Wohlgefühl des Erziehers auf Sicht stark leiden. Ein Kind, das statt nachzudenken, was es falsch gemacht hat, nur Interesse zeigt, seine "Haut retten" und sogar noch sein Wohlgefühl angegriffen sieht, ist meiner Ansicht nach nicht gut gerüstet für sein weiteres Leben. 

Was sind schädliche Gefühle? Verliebt zu sein, ist nur dann "schädlich", wenn kein Gegengefühl aufkommt. Trauer zu empfinden ist wichtig, um sich langsam mit einem Verlust, welcher Art immer, auseinandersetzen zu können.

Zorn muss wohl sein, wenn man sich im Moment außer Stande sieht, mit
etwas umgehen zu können. Grenzen sollten aber beim Dampf ablassen nicht überschritten werden.

Starke Eifersucht wäre für mich ein entbehrliches Gefühl, aber sie wird überraschender Weise oft mit Liebe in Zusammenhang gebracht. Häufig dürfte aber zu geringes oder erhöhtes Selbstwertgefühl dahinter stecken.

Was Persönlichkeitsentwicklung bedeutet, wissen sicher auch "Ketzer". 
Verlieren zu lernen ohne auszuflippen gehört z.B. dazu. 

Liebe Grüße   Lydia

 

Kurt20

@keyly  

04. November 2025

Hallo Lydia,

gerade habe ich Deinen interessanten Kommentar gelesen, vielen Dank. 

Er schein mir ein wenig in vorwurfvollem Ton geschrieben zu sein, aber das ist vielleicht nur so ein Gefühl von mir 😉.

Du schreibst: Es gibt meines Wissens keine Maschine, die so viel kann und ständig weiterlernt - noch dazu jahrzehntelang - wie der Mensch. Auch, dass sich der Körper in vielen Belangen selbst reparieren kann, erscheint mir bisher unübertroffen.

Nicht ansatzweise habe ich etwas anderes behauptet. Sollte ich mich missverständlich ausgedrückt haben, hier ganz explizit und klar: das sehe ich genauso.

Du schreibst: Mein Augenmerk gilt dem vorletzten Absatz deiner Eingabe, in dem du dich massiv gegen Reue stellst. Ist dir eigentlich schon aufgefallen, dass der ganze Absatz ausschließlich mit dir und deinem Wohlbefinden zu tun hat. 

Das ist mir nicht entgangen. Ich spreche in diesem Kommentar fast ausschließlich von mir und meinen Ansichten. Das habe ich auch kenntlich gemacht, an einer Stelle ganz deutlich: „Reue ist (wohlgemerkt: für mich) ...". Ist es illegitim, von sich und seinen Ansichten zu sprechen? (Was mir übrigens eher selten passiert, aber hier passte es gerade).

Du schreibst:
(1) Wie sähe deine Kindererziehung aus, wenn Reue kein Thema ist.
(2) Wenn „Gut und Böse“ gleichwertig sind, wird das Wohlgefühl des Erziehers auf Sicht stark leiden.
(3) Ein Kind, das statt nachzudenken, was es falsch gemacht hat, nur Interesse zeigt, seine „Haut retten“ und sogar noch sein Wohlgefühl angegriffen sieht, ist meiner Ansicht nach nicht gut gerüstet für sein weiteres Leben. 


Zu (1) Reue wäre ein Thema, wenn ich als Erzieher tätig wäre, sogar ein wichtiges und interessantes. 

Zu (2) „Gut und Böse“ gleichwertig? In meinem Kommentar kann ich eine solche Gleichsetzung nicht finden (wäre ja auch völliger Humbug).

Zu (3): "Ein Kind, das statt nachzudenken ...". Da liegen wir auf einer Linie. Wieso kommst Du aber auf die Idee, ich sähe das anders?  

Du schreibst: Was sind schädliche Gefühle? Verliebt zu sein, ist nur dann „schädlich“, wenn kein Gegengefühl aufkommt. Trauer zu empfinden ist wichtig, um sich langsam mit einem Verlust, welcher Art immer, auseinandersetzen zu können… Und an anderer Stelle: Starke Eifersucht wäre für mich ein entbehrliches Gefühl, …

Sag ich doch: es gibt schädliche Gefühle und andere, die nicht schädlich sind oder sogar nützlich.

Du schreibst: Was Persönlichkeitsentwicklung bedeutet, wissen sicher auch „Ketzer“. Verlieren zu lernen, ohne auszuflippen gehört z.B. dazu. 

Besser hätte ich es nicht ausdrücken können!

Bis demnächst,

herzliche Grüße
Kurt
 
 

 

Marlen13

Reue bringt nichts, weil es nicht zu ändern ist.
Doch ganz kurz ein wenig traurig darüber mitunter manchmal schon.
Aber schwupp die wupp bin ich auch schnell wieder im Aufwind.
Wünsche dir lieber Kurt eine harmonische neue Herbstwoche.
Mit lieben Grüßen ❤️ lichst Marlen 

 

Kurt20

@Marlen13  

04. November 2025

Liebe Marlen,

schön, von Dir zu lesen.

Ein paar kurze Moment der Traurigkeit erlauben wir uns, wir sind ja keine Roboter. Aber nicht zu viele, das kann zu einer schlechten Angewohnheit werden 😉.

Es ist schon spät (hätte nicht gedacht, auf meinen Beitrag so viel Kommentare zu bekommen, was mich natürlich freut).

Mein Kopf verlangt nach Schlaf, er will nichts Vernünftiges mehr herausrücken.

Deshalb gehe ich noch kurz zum alten Busch, der hat bestimmt etwas für uns.

Jawohl:

Reue

Die Tugend will nicht immer passen,
Im ganzen läßt sie etwas kalt,
Und daß man eine unterlassen,
Vergißt man bald.

Doch schmerzlich denkt manch alter Knaster,
Der von vergangnen Zeiten träumt,
An die Gelegenheit zum Laster,
Die er versäumt.

So, ich begebe mich jetzt „schwupp die wupp" zu Bett.

Bis bald,
herzliche Grüße
Kurt

sorya

Je ne regret rien. (Ich bereue nichts), ein Lied und das trifft meine Einstellung zur Reue.
Ich schaue nach Vorne, nicht rückwärts. Was ich getan habe in der Vergangenheit ist nicht mehr zu ändern. Warum soll ich also damit noch meine restliche Lebenszeit vergeuden. Wenn ich etwas bereuen würde, dann würde ich mich selbst kritisieren und das mache ich nicht, denn ich liebe mich und will mir nicht weh tun. 

Ingrid

Kurt20

@sorya  

03. November 2025

Guten Abend Ingrid,

«Das Einzige, was ich in diesem Leben bereue, ist, nicht genug Champagner getrunken zu haben», soll der britische Ökonom John Maynard Keynes auf seinem Sterbebett gesagt haben.

Es ist nicht verbürgt, ob dieses Zitat authentisch ist, klingt aber gut, oder?

Tatsächlich bereuen Menschen im fortgeschrittenen Alter eher die verpassten Gelegenheiten als die Dinge, die sie versucht haben und bei denen sie krachend gescheitert sind.

Da wir, Du und ich, generell nichts bereuen (wie herzerfrischend!), betrifft uns das nicht.

Aber um ganz sicherzugehen, schlage ich vor, ab sofort nur noch das zu tun, was uns Freude macht.😉

Damit wir nicht irgendwann sagen müssen – im übertragenen Sinne – : "Eigentlich hätte ich noch ein paar Fläschchen Champagner mehr trinken sollen."

Bis bald,
herzliche Grüße
Kurt

sorya

@Kurt20 

Lieber Kurt,

ich bin einverstanden. Wir tun ab sofort nur noch das was uns Spass macht und niemandem schadet.

Einen recht schönen Tag.

Liebe Grüsse Ingrid

werderanerin

Ich weiß nicht recht, wie ich Reue einordnen kann...ich bin kein Mensch, der oft zurück schaut, nur hin und wieder, oft situationsbedingt..., denke ich an Vergangenes.

Nur - ich kann es eh nicht mehr ändern, warum also zuviel daran denken. Was mich aber bewegt und immer auch beeinflusst hat..., ich versuche aus Fehlern oder nennen wir es falschen Einschätzungen..., auch etwas zu nehmen, was mir zukünftig helfen kann. 

Menschen sind nun mal in ihren Lebensphasen auch unterschiedlich sozialisiert, können oft nicht raus "aus ihrer Haut". Bestimmte Umstände kommen noch hinzu u.v.a.m.

Reue - nein  - aber ein Inmichgehen schon !

Kristine

Kurt20

@werderanerin  

03. November 2025

Danke für Deinen Kommentar, liebe Kristine.

Du schreibst: Reue – nein – aber ein In-sich-Gehen schon. Du sprichst mir aus dem Herzen.

Dieses In-sich-Gehen läuft bei mir in letzter Zeit so ab:

Ganz unverhofft tauchen Bilder aus längst vergangener Zeit auf. An ihnen hängt, bildlich gesprochen, ein Faden, und wenn ich daran ziehe, taucht ein Detail nach dem anderen auf – eine Aneinanderreihung von Szenen und Momenten. Feinstes Kopfkino.

Aber wenn diese „Vorführung“ in negative Szenen abgleitet, schalte ich den Projektor aus. Das muss ich mir nicht antun – ich schaue ja auch keine blutrünstigen Horrorfilme im Fernsehen.

Ähnlich gehe ich mit bewusst herbeigerufenen Erinnerungen um: Nur die schönen wähle ich aus, der Rest darf weiter in mir schlummern.

Katrin Passig schreibt, dass die Erinnerung ein Spülbecken voller Schaum sei, in das man nicht unvorsichtig hineingreifen sollte. Darin liegen scharfe Messer. Und ich will mich ja nicht schneiden.

Der Idee, in meinen Erinnerungen etwas zu finden, „was mir zukünftig helfen kann“, wie Du schreibst, stehe ich eher skeptisch gegenüber. Die alten Fehler würde ich vielleicht nicht mehr machen, dafür aber wunderschöne neue – überall lauern Fettnäpfchen in großer Zahl … 😉

Lass' uns in schönen Erinnerungen schwelgen.

Bis bald,

herzliche Grüße
Kurt

Globetrotter

Hallo Kurt,
wenn ich meinen Blues habe bereue ich schon so einiges. 
-verpasste Chancen z.B., das ich viele Dinge wegen meinem geringen Selbstwertgefühl gar nicht erst versucht habe, um dann später festzustellen : "Ach, so einfach wäre das gewesen, das hätte ich dann doch geschafft"
-Menschen die ich verletzt habe, bei vielen konnte ich mich, auch Jahre später noch, wenn es mir erstmal bewusst wurde, was ich eigentlich gesagt oder getan hatte, entschuldigen. Bei ganz wenigen nicht, die sind gestorben. Wenn ich das Gesagte dann bereue, weiss ich dass ich es nicht mehr ändern kann, aber ich sehe mein schlechtes Gewissen dann als eine wohlverdiente Strafe an.

LG Gisela🙋‍♀️

Kurt20

@Globetrotter

03. November 2025

Hallo Gisela,

ich kenne das auch. In manchen Situationen kommen mir Gedanken wie: „Das würde ich heute nicht mehr sagen, das war zu hart.“ Oder: „Heute verstehe ich unsere Mutter besser, leider kann ich ihr das nicht mehr sagen“.

Ist das schon Reue? Ich würde es eher als Bedauern bezeichnen. Aber das ist eine Definitionsfrage.

Unter Reue verstehe ich dieses elende, völlig nutzlose Gefühl, das unsere Gesundheit schädigt, an unserem Wohlbefinden zehrt und uns richtiggehend lahmlegen kann. Und all das ohne Gegenleistung!

Die Kolumnistin Samira El Ouassil nennt die Reue „Selbstverschuldetes Elend mit Arschloch-Timing“.

Sie schreibt:

„Aber da ist diese eine dunkle Stelle im Bewusstsein. Sie lässt eine Absolution durchs Rationale nicht zu. Diese dunkle Stelle ist Reue. Reue ist im ganzen Spektrum des Fühlens vielleicht das fieseste und unerbittlichste Gefühl.

Reue ist passiv aggressive Endgültigkeit. Keine kathartische Traurigkeit, keine poetische Melancholie – Reue ist selbstverschuldetes Elend mit Arschloch-Timing, denn sie macht sich immer genau erst dann bemerkbar, wenn es meistens zu spät ist, das zu tun, was verhindern würde, dass man später Reue empfinden könnte.

„Tja, jetzt hast du Chance unwiederbringlich verpasst, Herzchen“, sagt sie abends zum Einschlafen. [1]


Dem wäre meinerseits nichts hinzuzufügen.

Noch eines, liebe Gisela, zum Thema „wohlverdiente Strafe“. Bitte nicht! Ist das Leben nicht schon hart genug?

Bis bald,

herzliche Grüße
Kurt


[1] El Ouassil, Samira: Über das Loslassen: Wie Reue helfen kann. In: SPIEGEL ONLINE. 12.08.2020. https://www.spiegel.de/kultur/ueber-trauer-reue-und-loslassen-kolumne-von-samira-el-ouassil-a-22e14449-0dee-4db4-87df-9245178fa4e7 (abgerufen am 03.11.2025)

Rosi65

Hallo Kurt,
was bedauert man da eigentlich mehr, seine Fehlhandlung oder doch eher seine passive Nichthandlung?

Bei der Fehlhandlung befand man sich vielleicht gerade unter Zeitdruck, war nicht konsequent genug, hatte seinen naiv-gutmütigen Tag, oder (ganz schlimm!) man stand sogar für einen Moment richtig neben der Spur.
Doch aus diesen Erfahrungen lernt man schließlich. Also könnte diese Fehlentscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen sogar eher lehrreich sein.

Ja, und was wäre eigentlich passiert, fragt man sich manchmal, wenn ich dieses oder jenes damals doch gemacht hätte?
Wäre mein Leben dann besser verlaufen? Schon möglich.
Doch das Ganze erinnert mich an eine Tombola, bei der man eventuell einen handverlesenen Gewinn, allerdings auch zahlreiche Nieten ziehen kann. Dann wäre das Ergebnis vielleicht sogar katastrophal geworden.

Deshalb halte ich in der Regel, von einer Ausnahme abgesehen, auch keinen Grund der Reue für angebracht.

Viele Grüße
   Rosi65

Kurt20

@Rosi65  

03. November 2025

Guten Morgen Rosi,

Du fragst Dich: „Was bedauert man eigentlich mehr, seine Fehlhandlung oder doch eher seine passive Nichthandlung?“

Fehlhandlung bedeutet wohl: Man hat etwas falsch gemacht. Kann man bedauern, muss man aber nicht. Warum?

Weil man fortwährend etwas „falsch“ macht, rund um die Uhr.

Damit meine ich: man hat ein bestimmtes Ziel, tut aber etwas, was die Zielerreichung verhindert.

Beispiel: Ziel: ein klarer Kopf am Morgen, Handlung: Man geht am Vorabend mit Freunden auf eine ausgedehnte Kneipentour (alles schon vorgekommen 😉). Schwamm drüber.

Problematischer wird es, wenn wir durch einen Fehler größeren Schaden anrichten.

Aber falls wir das nicht in böser Absicht tun, was wohl meistens der Fall ist, besteht meiner Meinung ebenfalls kein Grund, diese hässliche Reue in unserem Leben wüten zu lassen.

Sie schädigt unsere Gesundheit, zehrt an unserem Wohlbefinden und kann uns richtiggehend lahmlegen. Und all das ganz ohne Gegenleistung! (Aber wem erzähle ich das).

Du schreibst: „Deshalb halte ich in der Regel […] auch keinen Grund der Reue für angebracht.“

Da funken wir auf derselben Wellenlänge!

Herzliche Grüße
Kurt
 

Schmetterling04

 @Kurt20

Was ich bereut habe, die Schwiegermama in Ihrer Demenz Phase nicht so gut verstehen konnte wie in den Jahren danach……..hab eine Ausbildung als Demzbetreuerin gemacht und eine Gruppe von 8 erkrankten über 3 Jahre begleitet.. Erst da hab ich die ganze Bandbreite und das Verständnis für diese Krankheit erlangt. Ich hoffe damit einiges wieder gut gemacht zu haben…….denk ich. 

Gruss zum Sonntagabend von Moni 

Manchmal bereue ich Worte die Ich geschrieben oder gesagt habe, kann sie aber nicht mehr zurücknehmen. Weil ich teilweise auch zu stur bin…..Entschuldigung zu sagen, auch das ist keine gute Eigenschaft.  Ich würde gerne alles einfach abhaken und aus meinem Leben streichen, nur scheine ich NICHT dieser Typ Mensch zu sein, der das kann, leider 🦋

 

Kurt20

@Schmetterling04  

03. November 2025

Guten Morgen Moni,

so ungefähr sehe ich die Sache:

Alles ist relativ. Es ist ein Unterschied, ob man „Reue“, empfindet, weil man den Bus verpasst hat („Wäre ich doch bloß früher aufgestanden“) oder weil man in der Vergangenheit jemandem Unrecht getan hat.

Im zweiten Fall stellt sich sogleich die Frage: „Hätte ich es damals besser machen können?“

Wenn die Antwort lautet: „Nein, weil ich es damals nicht anders wusste“ sollte die Sache eigentlich erledigt sein.

In Deinem Fall scheint es so zu sein. Erst nach Deiner Ausbildung zur Demenzbetreuerin hast Du tieferes Verständnis für diese (elende) Krankheit entwickelt.

Du kannst der Reue, wenn sie sich anschleicht und Dich in negative Gedankenstrudel zerren will, sagen: „Heute würde ich es besser machen, aber damals wusste ich es nicht besser.“

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Du damit die Reue in die Flucht schlägst.

Bei mir jedenfalls hat diese Strategie schon des Öfteren gewirkt.

Auf jeden Fall ist es einen Versuch wert.

Bis demnächst,

Herzliche Grüße
Kurt
 

Schmetterling04

@Kurt20  
Danke, für Deine Antwort, ob ich das umsetzten kann 🤔
Ist es nicht eher, sich eine Ausrede ausgedacht zu haben um sich selber zu beruhigen??? Gruss Moni 

Kurt20

@Schmetterling04  

Hallo Moni,

Technik-Typen wie ich glauben: "Was funktioniert ist wahr". Andere formulieren das so: "Wer heilt hat recht". Ausrede? Na und? Kann man benenne wie man will, die Haupsache es klappt.

LG Kurt

Schmetterling04

@Kurt20  
So kenne ich die die Techniker, egal wo welche Schraube sitzt, passt, wackelt und hat Luft. den Spruch hab ich vom Schwiegervater, ebenfalls Techniker, ich war ein Fan von ihm weil er für ALLES eine Lösung hatte! 
Hört man noch meine Begeisterung für diesen Mann 😉🤔🦋

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