Der Fluss
Früher mäanderte der Fluss durch das Tal, wild und so wie er gerade Lust hatte. Nahm hier ein Stück Wiese mit, an deren Abbruchstelle später dann die Eisvögel ihre Lehmhöhlen bauten oder staute sich dort an einer Biegung auf und bildete eine kleine Staustufe. In seinem Wasser lebten kleine Fische, Stichlinge, schwarze Krebse die sich unter den Steinen verbargen. An den Ufern Molche und Salamander, schwarze Hirschkäfer und die Kreuzotter, vor der wir einen Heidenrespekt hatten.
Für uns Kinder ein Paradies, für meine Eltern der Horror, überflutete doch der Fluss in jedem Frühjahr nach der Schneeschmelze die Wiesen und die Häuser an seinem Ufer. Ich erinnere mich an schwimmende Mostfässer im Keller. Für die Waschmaschine wurde ein Podest gebaut, auf dem heute noch immer die Waschmaschine steht, freilich eine neuere Version davon.
Irgendwann wurde der Fluss dann in neue Schranken gewiesen, begradigt und seiner wilden Schönheit beraubt. Die Natur hat inzwischen dafür gesorgt, dass er einen Teil davon zurück bekommen hat. Hohe Bäume säumen sein Ufer, Pappeln und Trauerweiden. Beiderseits des Ufers Rad und Fußwege, eine Hundewiese die mein Ferienhund Lilly geliebt hat.
Der Fußweg führt zum Rathaus, Bahnhof, zur Kulturhalle und zum Altenpflegeheim in dem meine Mama die letzten Jahre verbracht hatte. Von ihrem Zimmer aus der Blick zum Fluss an dessen Ufer sie fast 100 Jahre gelebt und an dessen Ufer sie diese Welt verlassen hat.
Durch mein Dachfenster kann ich auf den Wald sehen, der die Ränder unseres Tales bewohnt, ein vertrauter Blick. Buchen und Eichen sind die Namen seiner Bäume die ihm auch den Namen gaben, Buchwald. Auf der anderen Talseite ist es der Eichwald, auch er benannt nach seinen Bewohnern.
Schwer hängen heute Morgen die Nebelschwaden in den Gipfeln der uralten Bäume, Wehmut steigt in meine Gedanken. Der Herbst kommt, ich spüre eine Traurigkeit, die neu ist. Die Endlichkeit meiner Welt wird mir bewusst, ich spüre den Herbst der jetzt in mir wohnt und nicht mehr weichen wird.
Boeuf
Kommentare (11)
@U. Petri
Liebe Ursula
Ich wünsche dir, dass es endlich klappen wird mit deinem Umzug in das Seniorenhaus an der Pfinz, die ich in meinem Blog beschrieben habe. Es wird dir dort gefallen, da bin ich sicher.
Ich drück dir die Daumen.
Peter
@Boeuf
Danke, dafür. Konnte alles mit Deinen Augen sehen, Du beschreibst es sehr einfühlend. Die Herbststimmung ist in Euren Tälern ja immer früher wie in der Stadt. Ich liebe die Herbstfarben nur an alles Andere möchte ich noch nicht denken, weiss ich doch wie sehr mich diese Tage angreifen und mich runterziehen. Gibt es die Molche, Salamander noch oder sind sie weitergezogen. Mich erinnern sie an viele fröhliche Stunden in nassen Kleidern und Lackschuhen mit Lehm. meine rote „Lederhose“
Bei uns im Keller waren da noch Ratten und etliche Mäuse. Denke an Brikett- und Eierkohle, gekochte Windeln im Bottich und das Plumsklo im Hof.
Jetzt hätte ich gerne eine Kürbissuppe, danach „Ofenschlupfer mit Vanillesosse und am Abend einem „Bratapfel“ ein kleines Trostpflästerle zu Beginn der Winterbluestage. Ein Klacks für einen so guten Koch wie Dich!
Gruss zum Donnerstag vom 🦋
@Schmetterling04
Hallo Monika
So früh bleibt meine Küche noch kalt. Ofenschlupfer mit Sauce muss warten. Dafür gibt es blauen Himmel und Sonne…hier im Süden jedenfalls. Ich wünsche dir einen schönen Tag.
Peter
Lieber Peter,
habe deine Zeilen mit Interesse gelesen.
Erinnerungen sind wichtig - ob schöne oder nicht so schöne.
LG ❤️ lichst Marlen
@Marlen13
Liebe Marlen
Ja, Erinnerungen sind wichtig, Besonders wenn die Tage kürzer werden, finden wir die Zeit, innezuhalten und nachzudenken.
Danke fürs Lesen
Peter
Lieber Boeuf,
Deine Geschichte scheint mir wie eine telepathische Bestandsaufnahme der Lebensreflektion zwei alter Freunde zu sein..., nämlich zwischen Dir und dem Fluss.
Klasse geschrieben!
Rosi65
Kopf hoch Peter, ich bin auch traurig. Da können wir uns doch gut zusammen tun und bilden ein kleines Trauerteam😂
LG globetrotter/Gisela🙋♀️
Schön sind Deine Erinnerungen und Gedanken zu lesen, lieber Peter.
Man kann sie nachempfinden und dabei selbst ins Träumen kommen. -
Für mich eine Anregung mehr, mich auf einen Umzug ins Seniorenhaus dort zu freuen - so er mir noch "rechtzeitig" angeboten wird. . .
Mit herzlichen Grüßen
Ursula