Andere Zeiten

Gelegentlich fallen mir die ständigen Ermahnungen meiner Mutter in meiner frühen Kindheit ein, die da waren: "Geh nicht so bucklig", "Heb die Füße beim Gehen", "Schau nicht so kuhwarm" (?)... und dergleichen mehr. Was Letzteres eigentlich bedeutete, war mir nicht recht klar, aber es konnte nichts Gutes sein.

Einige Ratschläge dürfte ich wohl beherzigt haben und so wurde ich kein schlurfendes Ungeheuer in high heels, auch der "kuhwarme Blick" kam überraschend gut an.  

Zu den späteren Ermahnungen gehörte auch, keine Halbheiten zu machen, sondern Angefangenes möglichst zu Ende zu bringen, selbst wenn damit gelegentlich eine Art inneres Zähneknirschen ausgelöst wird.

Nun, längst in Rente in einem völlig anderen Leben, bin ich Halbheiten durchaus zugeneigt.

Soeben schlendert meine halb flauschige Hündin an mir vorbei, sie zeigt mir ihre elegante, gebürstete Seite.
Das gestrige Kämmen wurde nämlich nach fast einer Stunde im beidseitigen Einverständnis abgebrochen, ihr dauerte es zu lange und bei mir wimmerten Knie und Wirbelsäule. Unter dem Motto "Gut Ding braucht Weile" finde ich mein haariges Mädchen auch auf der Natur belassenen Seite sehr hübsch.

Außerdem steht mir Kritik nicht zu, lustwandle ich doch derzeit mit nur 5 geschnittenen Zehennägeln durch meinen Garten. Hoch das Bein konnte früher allerlei Lustiges und Erfreuliches bedeuten, mit Zunahme der Jahre hat sich das aber auf Pflege minimiert. Da meine Krallenfüßchen nicht zu den einfachsten gehören und viel Werkzeug und Geduld zu investieren sind, gilt auch hier  "Morgen ist auch noch ein Tag".

Wunderbar, wenn der Schmerz nachlässt und langsam wieder Beweglichkeit aufkommt.
Es sind schließlich noch Halbheiten von gestern zu beseitigen!

 

Kommentare (10)

Ulrike Nikolai

Halbheiten, liebe Lydia, führen zu manchem Ungeplanten, das sich als wunderschöne Ganzheit entpuppt.

Seitdem ich im Garten nicht mehr so viel rackern kann (mit 71 geht's langsamer und ich schaffe nicht mehr so viel auf einmal), hat sich eine wunderschöne Bodendeckerlandschaft um die Stauden herum entwickelt. Allen voran die Walderdbeeren, die ich im Sommer auch noch fleißig ernten kann und meinen beiden netten Nachbarjungs (2 und 4) durch den Zaun reiche. Sie lieben meine "Kindererdbeeren". 

Auch Bücher lese ich oft nur halb, lege sie dann weg, weil ich gerade ein anderes angeboten bekam, das viel spannender ist. Und gern greife ich auch wieder zu den angefangenen und lese sie weiter - mit einer kurzen Überschneidung, die mir hilft, wieder hineinzufinden.

Und dann sind da noch die WIPs und UFOs in diversen Körben und Taschen. Die "Works In Progress" und die "UnFertigen Objekte". Sprich: halbfertige Pullover, Socken, Schals. Wie beflügelnd ist es doch jedes Mal, wenn ich mir einen Pulli vornehme, an dem etwa nur noch die Ärmel fehlen und ich bekomme ihn dann ganz schnell fertig. Endspurtgefühle! 👍

Es ist der Vorzug des Alters, das man sich gelassen den Halbheiten ergibt und das Positive in der fehlenden Hälfte entdecken darf. Und wenn es auch nur die eigene Interpretation ist.

Wer (noch) nicht alt ist, kommt auch noch dahin. Oder er wird nicht alt ... denn wer nicht alt sein will, muss jung sterben. 🙈

Liebe Grüße
Ulrike

 

keyly

@Ulrike Nikolai

Liebe Ulrike!

Vielen Dank für deinen liebenswerten und heiteren Kommentar, bei dem ich einige Übereinstimmungen mit meinen Gewohnheiten finde. 

Das Lesen mehrerer Bücher auf einmal ist auch mir nicht fremd. Die Gründe sind mannigfach, z.B. im Bett zu lesen, erfordert des Gewichts wegen Taschenbücher, für div. Wartezimmer reisen nicht gerade die edelsten Exemplare mit mir, diese bleiben natürlich zu Hause. Da ich keine Freundin von Sommerlektüre bin, fühle ich mich des öfteren bei großer Müdigkeit mit hochgeistigen Inhalten überfordert, also muß auch Kurzweiliges her. 

Einen e-Book-Reader hoffe ich, nie benützen zu müssen. Es ist ein kaltes, unpersönliches Gerät und die geladenen Texte erinnern irgendwie an Wegwerfware. Ich schätze meine Bücher, man könnte sagen, ich habe eine Beziehung zu ihnen. 
Aus diesem Grund würde ich auch keines hergeben und - ich gestehe - auch keines mehr verleihen. 

Auch ich hatte vor Jahren Walderdbeeren im Garten, die ich immer den Tieren überließ. Seit langer Zeit allerdings führe ich einen hoffnungslosen Zupf-Kampf gegen falsche Walderdbeeren im Rasen, die von der Frucht her ähnlich sind, aber gelb blühen. Sie verbreiten sich unglaublich schnell und unterwandern alles. Das Problem ist, dass man die Früchte an den Schuhen ins Haus trägt und auf Teppichen Obstflecken bekommt. 

Deinen Überraschungskorb finde ich allerliebst. Handarbeiten gehört außer Kreuzstichstickereien nicht zu meinen Talenten. 

Ich wünsche dir viel Freude und gutes Gelingen bei den Fertigstellungen möglicher Weihnachtsgeschenke.

Bis dahin schöne Herbsttage,
herzliche Grüße aus Niederösterreich   Lydia mit Amica (Eurasier-Hündin) 

 

Kurt20

01. Oktober 2025

Hallo Lydia,

Halbheiten haben etwas herzerfrischendes. Sie erinnern mich daran, nicht alles zu ernst zu nehmen. Sie helfen mir, den schrecklichen Perfektionisten und unerträglichen Schulmeistern in meiner inneren Mannschaft – diesen Spielverderbern – Paroli zu bieten. Die haben mich in früheren Lebensphasen zur Genüge schikaniert.

Keep cool heißt es heute bei mir und „Morgen ist auch noch ein Tag“. Halbheiten passen supergut in dieses Konzept.

Herzliche Grüße
Kurt

keyly

@Kurt20  

Guten Abend Kurt!

Zu "keep cool" kann ich nichts bieten, aber zu "keep swinging", 
was schließlich auch eine tolle Lebenseinstellung sein kann.
keep swinging - tanzende Strichmä.jpg

Liebe Grüße   Lydia

Rosi65

Hallo keyly,

auch das Halbe hat seine Berechtigung, denn es ist die Anfangsphase von einem Ganzen.
In der Regel lernen wir stufenweise unsere Flexibilität so weit auszubauen, bis wir endlich die Fähigkeit der meisterlichen Fertigkeit erreicht haben.
Falls kein Zeitdruck besteht, so kann man sich durchaus die Aufgabe in mehreren Arbeitsschritten einteilen. Warum auch nicht?
Nur sollte man dabei vielleicht nicht auf zu vielen „Baustellen“ gleichzeitig arbeiten.😉

Herzliche Grüße
    Rosi65

keyly

@Rosi65

Hallo Rosi!

Danke für deinen Kommentar, der natürlich richtig ist und mich speziell an lange Jahre meines Lebens erinnert, in denen ich meisterliche Fertigkeiten zu erreichen versuchte. Heute denke ich, dass ich in Teilbereichen auch ein wenig zu streng zu mir war, weniger wäre vielleicht mehr gewesen, zumindest was die Freude an manchen Tätigkeiten anlangt.

Heute, mit 79, genieße ich förmlich, meines schlechtes Gewissen manchmal nicht zu Wort kommen zu lassen. 

Wenn die eigenen Möglichkeiten geringer werden, sollten unbedingt auch die Ansprüche angepasst werden. Ich arbeite daran.......

Auch zuviel Baustellen sind nicht mehr so schlimm, weil ich dankenswerter Weise ohnehin schon einige vergesse.
"Nichts ist so schlecht, dass es nicht auch für etwas gut wäre", ein Spruch meiner Oma!

Ich wünsche dir noch schöne Hersttage und sende liebe Grüße aus Niederösterreich.

Lydia



 

Ulrike Nikolai

@keyly  

Nette Kommunikation hier! 🙏

Dein Blog ist überschrieben "Damals und heute".
Wenn Dich sowas anspricht ...
ich habe ein ganzes Weblog zum Thema gestaltet.

Eine herzliche Einladung:

Zeit ist eine lange Spur


Überhaupt ...
neben Halbfertigem und Halbgarem (passiert leider immer wieder mal 😯)
befasse ich mich derzeit verstärkt mit ZEITphänomenen.
Muss wohl am Alter liegen. 😉
Liege in den letzten Wehen an der Fertigstellung eines Buches zum Thema.

Ist viel Feinarbeit dran, weil ich es selbst veröffentliche.

Buchcover AHNUNGEN 11.jpg

Und was machst Du so? Außer halbe Sachen? 😂

Übrigens habe ich diese gelb blühenden Rankwunder auch im Garten. Bisher haben sie es noch nicht auf den Rasen geschafft. 😜

Möge der Herbst noch schön sonnig und bunt werden!

Liebe Grüße aus dem Lipperland,
Ulrike


 

indeed

Ja! Nicht nur das! So steht dir die Möglichkeit offen, dein Werk am nächsten Tag zu vollenden.
Da hast du Vorfreude und auch die Freude über das getane "Werk" 😉

Du hast sogar noch mehr: die tägliche Bewegung, auch wenn sie beschwerlich ist, sie trainiert deine Beweglichkeit.

Ganz liebe Grüße in den Morgen und bleibe dran, denn Aufgeben ist ein No Go - oder?
 indeed

keyly

@indeed

Vielen Dank für deinen Kommentar, ich freue mich sehr über Herzchen;
offensichtlich habe ich eine brauchbare Lösung gefunden, die auch anderen gefallen könnte.

Aufgeben ist so gar nicht mein Ding, ich bin da recht eigensinnig. Allerdings grüble ich momentan darüber, ob ich auch heuer wieder selbst zu den Dachrinnen klettere, die mein statt 7 m mittlerweile sicher 15 m hoher Baum jedes Jahr im Herbst rundum bis zur Verstopfung füllt. Die sehr kleinen Blättchen der Gleditsia sind leider auch äußerst mühsam zu entfernen. 
Mal sehen, ob ich heuer mein Garten-Fitness-Programm noch komplett beibehalte, es geht hier leider um viele Meter Länge. 

Aber, wie du sagst, es macht Freude "nach getaner Tat"!

Liebe Grüße    Lydia

2020, 5. 11. Als der Baum noch groß war, ganz in Gelb, KB, HANDY.jpg


  

indeed

@keyly  

Liebe Lydia,

das ist absolut ein Prachtexemplar. Wunderschön anzusehen und ich hätte auch meine Freude daran.

Liebe Grüße von
Ingrid

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